Mittwoch, 4. Januar 2012

"Jeder stirbt für sich allein" am Maxim Gorki Theater Berlin

„Jeder stirbt für sich allein“ ist Literaturinteressierten ein Begriff. 1947 veröffentlicht der Aufbau Verlag Hans Falladas großen Roman über die Nazizeit, doch erst in diesem Jahrhundert wird das Buch zum Weltbestseller. Unter dem Titel „Alone in Berlin“ begeistert es amerikanische Leser, was zu seiner Wiederentdeckung auch in Deutschland führt. Es ist also nur folgerichtig, dass das Maxim Gorki Theater seine Inszenierung von „Jeder stirbt für sich allein“ englischsprachigen Gästen zugänglich machen möchte. Die kleinen Bildschirme zur rechten und linken Seite der Bühne zeigen englische Übertitel – allerdings sind sie nicht günstig angebracht, denn wer auf die Übersetzung angewiesen ist, muss oft den Kopf komplett vom Geschehen abwenden.
Zwei Stunden lang folgt der Zuschauer den Charakteren durch das Berlin der Nazizeit. Im Zentrum des Stückes steht das Ehepaar Quangel, das sich nach dem Tod ihres einzigen Sohnes zum Widerstand gegen das Regime entschließt. Die beiden verteilen Postkarten mit Botschaften gegen die Nazi-Führung und den andauernden Krieg. Wie auch Hans Falladas Roman gelingt es dem Stück, ein Spektrum von Charakteren aufzuzeigen: die Widerständler, die Mitläufer, die Fanatiker... jene, die gerne besser handeln würden, sich aber nicht trauen, und jene, die aufgrund ihrer Armut keinen Gedanken an Moral verschwenden wollen...
Bezeichnend die Szene zwischen Trudel und ihrem Mann, in der sich jener weigert, eine Jüdin aufzunehmen. Abgesehen von dem Risiko könnten sie ja eh’ keine dritte Person versorgen. Für das eigene Kind, das Trudel verloren hat, hätten Essen und Platz aber noch ausgereicht.
Sehenswert ist das Stück nicht zuletzt aufgrund der Schauspielerleistung. Ruth Reinecke und Andreas Leupold strahlen als Anna und Otto Quangel eine stille Kraft aus, außerdem überzeugen Albrecht Abraham Schuch als Enno Kluge und Michael Klammer in einer Vielzahl von Rollen. Mit nur sieben Schauspielern gelingt es dem Team, eine ganze Stadtbevölkerung anzudeuten und vor allem die Besetzung von Frauenparts durch Männer und vice versa beugt einem Abfallen der Nebenpersonen ins Klischee vor.

Nächste Aufführung am 28.2.2012 (mit engl. Übertiteln)

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